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Holidays are everyones little Paradise

Die Erfindung der Ferien: Geschichte einer wunderbaren Zeit

Einige Wochen im Jahr Pause von der Arbeit und dem Alltag machen: Was für uns heutzutage selbstverständlich ist, war für Menschen bis vor 200 Jahren noch undenkbar. Über die Etablierung bezahlter Urlaubstage und erste begehrte Reiseziele.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts konnten sich große Teile der Bevölkerung keine Auszeit leisten. Die Mittel der Arbeiter waren begrenzt, einen Urlaubsanspruch gab es nicht und bezahlte Ferientage erst recht nicht. Trotzdem konnte sich die Idee von Ferien nach und nach durchsetzen. Und Bayern war schon damals ein beliebtes Reiseziel: Reiche Münchner genossen die schönsten Tage des Jahres in ihren selbst erbauten Sommervillen am Starnberger See, weniger Wohlhabende reisten auch aus entfernteren Regionen auf die Alm nach Aschau oder an den Staffelsee nach Murnau. Später kamen andere Ziele hinzu.

Urlaub – anfangs ein Privileg für wenige

Im neunzehnten Jahrhundert wird der Urlaub als Lebensstil erfunden“, Christopher Görlich, freiberuflicher Historiker aus Münster

Das hieß aber noch lange nicht, dass gleich jeder daran teilhaben konnte. Urlaub machen und erst recht das Reisen war bis Anfang des 20. Jahrhunderts denen vorbehalten, die Zeit und Geld dafür übrig hatten. Reiche Adelige übersommerten traditionell auf ihren Landgütern oder auch mal in einem Kurbad – der Geselligkeit und der Gesundheit wegen. Aber auch Staatsbeamte und leitende Angestellte konnten schon vor Einführung eines gesetzlichen Urlaubsanspruchs zumindest unbezahlte Ferientage bekommen. Kaufleuten war es sowieso möglich, dann und wann freizumachen – soweit es ihre Geschäfte eben zuließen. Schulen, Universitäten und Gerichte blieben schon Ende des 19. Jahrhunderts den Sommer über geschlossen.

Der Urlaub als Statussymbol

Urlaub wurde mehr und mehr zum Statussymbol, er wurde zum Gesprächsthema, man konnte mit ihm angeben. In bürgerlichen Schichten gehörte es bereits vor gut 150 Jahren zum Lebensstandard, jeden Sommer aufs Land zu fahren.

Um die Ferien ausdehnen zu können, hielt man sich meist in Heimatnähe auf, in Orten mit Eisenbahnanschluss. So konnten die Männer in die Stadt zurückkehren, um ihrem Beruf nachzugehen, und am Wochenende schnell wieder zur Familie fahren. Die blieb oft wochen- oder sogar monatelang im Grünen.

Urlaub gab es für Fabrikarbeiter bis Anfang des 20. Jahrhunderts nicht

Einfache Fabrikarbeiter konnten von diesem Wandel im gesellschaftlichen Leben zunächst nicht profitieren. Sie schufteten Mitte des 19. Jahrhunderts an sechs Tagen die Woche 16 Stunden lang und litten unter dem Dreck und Lärm der Großstadt, bekamen aber keinen Urlaub.

Brauereiarbeiter setzen 1903 ersten Urlaubsanspruch durch

Das änderte sich erst im Jahr 1903. Damals setzten Brauereiarbeiter als erste Arbeitergruppe per Tarifvertrag einen bezahlten Urlaubsanspruch durch. Sie erhielten drei Tage im Jahr. Manche Arbeitgeber gewährten ihren Arbeitern freiwillig zwischen drei und sechs Tage Urlaub – dann aber meist unbezahlt.

Erst in den 1920er-Jahren gelang es den Gewerkschaften, einen Urlaubsanspruch bei vollem Lohn für Arbeiter zumindest in Ansätzen durchzusetzen. Diesen hatte ein SPD-Abgeordneter schon 1912 im Reichstag gefordert. Mehr als eine Sonntagswanderung zu einer Kaffeewirtschaft im Grünen, ein Tag am Badesee oder ein Ausflug zum Rummel war aber zur Erholung für die meisten noch nicht drin.

Bis zum Ende der Weimarer Republik gab es drei, vier Tage Urlaub

Bis zum Ende der Weimarer Republik im Jahr 1933 gab es für Arbeiter dann drei, vier Tage bezahlten Urlaub. Gewerkschaften, die Bildungsorganisation der SPD und eigens zu diesem Zweck gegründete Touristenvereine organisierten preisgünstige Kurzreisen an den Rhein oder zu den Ostseebädern. Gewerkschaften bauten eigene Ferienheime – oft mit tatkräftiger Hilfe ihrer Mitglieder. Und auch kommerzielle Reiseveranstalter, wie zum Beispiel das „Amtliche Bayerische Reisebüro“, stellten sich mit günstigen Angeboten auf die neuen Kunden ein.

Der erste Reiseboom und sein Ende in der Weltwirtschaftskrise

Ende der 1920er-Jahre konnte sich nicht nur das wohlhabende Bürgertum weite Reisen leisten. Selbst für Büroangestellte und gutverdienende Facharbeiter waren Reisen nach Tunesien, Paris oder die Riviera nun finanziell machbar. Dank des Konkurrenzdrucks zwischen den Hotels gab es Übernachtungen in Grandhotels, die zuvor nur wohlhabendem Publikum offen standen, zum Schnäppchenpreis. So waren sie auch für Menschen mit kleinerem Geldbeutel erschwinglich. Das änderte sich erst mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929. Für die meisten bedeutete die Krise gleichzeitig das Ende des Reisens.

Urlaub in der NS-Zeit

Mit der Machtübernahme Hitlers kam der zweite Einschnitt: Im Mai 1933 stürmten SA-Trupps die Gewerkschaftshäuser, die Gewerkschaften wurden aufgelöst und ihr Eigentum beschlagnahmt – einschließlich der Ferienheime. Ende des Jahres wurde die Nationalsozialistische Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, kurz KdF, gegründet und der Deutschen Arbeitsfront, der nationalsozialistischen Arbeitnehmerorganisation, angegliedert.

Urlaub sollte damit nicht mehr nur der Erholung dienen. Er war von nun an Teil der Ideologie. Ziel war es, mit dem vielfältigen Freizeitangebot die Bevölkerung an die NSDAP zu binden. Das geschah einerseits mit günstigen Reiseangeboten, mit denen vor allem regimekritische Arbeiter von den Vorzügen der NSDAP überzeugt werden sollten. Andererseits wurden aber auch lukrative Reisen gezielt als Belohnung und Ansporn an regimetreue Arbeiter vergeben, oft sogar kostenlos und mit Extra-Urlaubstagen. Je attraktiver das Angebot, desto höher war auch der Anteil von Angestellten und Parteifunktionären. Am begehrtesten und in ihrer Propagandawirkung unbezahlbar waren die Hochseekreuzfahrten.

Das Sauerland – beliebtes Reiseziel im Zweiten Weltkrieg

Der Anteil der KdF-Reisen am gesamten deutschen Fremdenverkehr lag aber nur bei ungefähr zehn Prozent. Die meisten Urlaubsreisen organisierten die Deutschen auch im Dritten Reich selbst oder buchten sie bei kommerziellen Reiseveranstaltern. Die jüdische Bevölkerung war davon nahezu ausgeschlossen.

Einen regelrechten Touristenansturm verzeichnete während des Zweiten Weltkriegs das Sauerland. Das lag daran, dass sich viele Menschen aus dem dicht besiedelten Ruhrgebiet für ein paar Tage von den Bombenangriffen und von der Arbeit erholen wollten. Sie reisten ins nahegelegene Sauerland. Bis zu zweitausend Prozent sei der Tourismus dort damals angestiegen, verrät der Historiker Christopher Görlich.

Für das NS-Regime wurde dieser Reiseboom zum Problem. Schließlich brauchten sie die Züge für die Wehrmacht und die Hotels der Ferienorte als Soldatenquartiere und Lazarette. Reiseverbote wurden erlassen und Plakate mit der Aufschrift aufgehängt: „Erst siegen, dann reisen!“ Doch beides fruchtete nicht.

Ruhpolding und Italien: Traumziele der Deutschen in den 1950ern

Auch im Westen rollten nach dem Zweiten Weltkrieg schon bald wieder die Ferienzüge. Um 1950 war das Traumziel für Pauschalurlauber aus den Trümmerstädten Ruhpolding. Dort entwickelte sich eine Frühform des „Ballermann“-Tourismus: Bei Blasmusik im Kurhaus floss das Bier in Strömen, und alleinreisende Touristinnen flirteten mit bajuwarischen „Saisongockeln“.

Als das Wirtschaftswunder in Schwung kam, reisten die Deutschen mit dem eigenen Kleinwagen zunächst nach Italien und hielten für den Rest des Jahres ihre Urlaubserinnerungen mit Dosenravioli und Italienschlagern wach. Später ging’s für viele erst mit dem Billigflieger ab nach Spanien, dann waren auch schon bald exotischere Ziele erreichbar und bezahlbar.


Quelle
Ein radioWissen-Feature von Ulrike Rückert